Trocknende Ölbilder, darunter neonfarbige Batman-Masken und Landschaften prägen meinen ersten Eindruck in Sebastian Herzaus Atelier in Halle. Malen, malen, malen, zwischendurch Kunstmessen organisieren und selbst auf Messen netzwerken – all das und die eigene Familie halten Sebastians Stresslevel auf einem moderaten Maß.
1. Bist du permanent am Denken, während du malst oder passiert das eher spontan? Beides. Ich muss vorher denken, weil ich nicht während des Malens plötzlich beschließen kann, dass ich doch ein Querformat malen will. Alles andere kommt spontan, vom Zufall und der Frage geleitet: „Was machst du da jetzt draus?“ Die Linien und die Struktur darüber geben dem Portrait Tiefe. Und um die geht es mir.
2. Mit dem Thema Portraits/Gesichter beschäftigst du dich bereits seit Studium, richtig? Zu welchem Zeitpunkt wurde dir klar, dass du daraus eine Serie machen könntest? Mein ursprüngliches Bestreben war der Reiz, etwas Neues auszuprobieren.
Für Unschärfe habe ich mich schon immer interessiert.
3. Das Spannende an deiner Serie „The Great Below“ ist dieser Schleier über den Gesichtern – was drückt er aus? Eigentlich drückt er ganz viel aus – man muss gar nicht so viel dazu sagen. Zum einen ist es das Unnahbare, zum anderen hole ich mehr hervor. Ich mag generell mattere Farbtöne – die werden durch den Schleier transportiert, der nicht greifbar ist. Selbst wenn du eine halbe Stunde lang das Bild ansiehst und danach versuchst, dich daran zu erinnern, kommt vor allem ein Gefühl hoch, keine visuelle Erinnerung.
Der emotionale Ausdruck bleibt im Gedächtnis, nicht unbedingt das Bild an sich.
Der Schleier ist also da und verändert alles, aber ist dabei trotzdem unsichtbar. Mir geht es so, dass ich mich schon ungefähr an die Gesichter in deinen Bildern erinnern kann, aber gleichzeitig weiß: Da war noch mehr. Wie schätzt du die Wirkung eines Portraits ohne diesen Schleier ein? Ich kann dir das an diesem Bild zeigen, als ich einen Zwischenschritt fotografiert habe. Mir fehlt da noch die Magie. Ich muss daran weiterarbeiten, um mehr zu zeigen als nur die realistische Darstellung.
4. Findest du, dass Malerei die Wirklichkeit darstellen oder verändern sollte? Ich spiele gerne mit den Erinnerungen – ist es ein Mann oder eine Frau? Ist er/sie traurig oder gut drauf? Ich kann nur ein Stück zur Klärung dieser Fragen beitragen, schreibe dabei jedoch nichts vor. Das wäre mir zuviel. Durch diese Unschärfe, die ganz subtil da ist, während das Gesicht darunter ganz scharf gemalt ist, entsteht ein Moment zwischen dem Moment.
Wirklichkeit ist das, was man daraus macht, wenn man darüber redet.
Während ich ein Portrait male, erlebe ich eine eigene Geschichte zum Modell, weil ich die ganzen Zwischenschritte kenne. Ich weiß dadurch viel mehr als jemand von außen. Insgesamt wechsle ich zwischen verschiedenen Themenzyklen, d.h. von den Landschaften zu „The Great Below“ bis hin zu den Batman-Masken.
5. Würdest du dich als Perfektionist bezeichnen? Meine Bilder dürfen nicht zu perfekt sein – aber ein paar Sachen müssen gut sein: Der richtige Farbton muss an den richtigen Fleck. Wichtig ist, dranzubleiben und zu malen. Und das jeden Tag.
6. Welche Wirkung haben Farben für dich – darstellend oder symbolisch?
Die besten Farbtöne sind die, die nebenbei beim Mischen entstehen.
Ich weiß natürlich, sie richtig einzusetzen, aber ich lege nicht so viel symbolische Wirkung hinein. Dieser hellblaue Hintergrund besteht z.B. aus zahlreichen lasierenden Schichten, um genau diese Farbwirkung zu erzeugen.
7. Kannst du einen (technischen) Unterschied zwischen Leuten erkennen, die Malerei studiert haben und Quereinsteigern? Dabei geht es nicht so sehr um die Technik, weil auch Studierte nicht unbedingt malen können. Viele sind dafür einfach zu faul. Es ist einfach ein langer Prozess, malen zu lernen. Wenn Künstler neben ihrer Arbeit stehen und lange darüber reden können, dann haben sie in den meisten Fällen studiert (lacht). Im Studium kannst du dich frei in verschiedenen Bereichen ausprobieren und dich mit Professoren und Kommilitonen darüber austauschen.
Das Malen bringt dir keiner bei, das musst du selbst machen.
Es ist ein Handwerk, das man erlernt, indem man es macht. Es ist auch wie eine Sucht – dabei versuche ich, mir ganz viel zu merken. Es muss auf jeden Fall authentisch sein. Was ich selbst nicht kann, finde ich besonders gut. Ich reagiere auf das, was mich bewegt. Das muss ich ansprechen. Wichtig ist die Zeit im Atelier. Man kann auch für acht Stunden dort sitzen, Hauptsache man ist dort. Man braucht einen eigenen Antrieb und Fleiß. Ich habe großen Respekt vor Kollegen, die wirklich was machen und wollen!
8. Musstest du viel Kritik ertragen? Von den richtigen Leuten habe ich gute Kritik bekommen. Ich habe auch schnell gemerkt, dass früher manche mehr über meine Kunst und Entwicklung wussten als ich selbst – wo meine Kunst noch hingehen würde.
9. Erzähl mir von einem Erlebnis mit deinen Bildern. Ich erinnere mich an eine Frau auf einer Messe, die für zwei Stunden vor einem Bild von mir stand und sich einfach nicht abwenden konnte, während ihr Mann sie überall gesucht hat. Mittlerweile hängt es bei ihnen zuhause.
Vielen Dank für deine Zeit und den Einblick in deinen kreativen Prozess!
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